In den ersten Wochen nach dem Krieg waren die Kirchen so voll wie davor und danach nicht wieder.
Unter dieser Überschrift hatten die Kirchengemeinde Templin und die Regionalkirchengemeinde Herzfelde zu Gedenkfeiern an verschiedenen Orten eingeladen
„Tage im April 1945“, das ist am Sonntag in Gandenitz und in Warthe zu spüren, erinnert mit den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs an Ereignisse, in denen so viel zusammenkommt, dass es einem die Sprache verschlagen kann und es bis heute den Menschen schwer fällt darüber zu sprechen.
„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde” Die bekannten Verse des Prediger Salomo haben Pfarrerin Annegret Kaufmann (Templin) und Pfarrerin Christine Rosin (Herzfelde) an den Beginn des Gedenkens gesetzt und damit dem Schweigen und der Zeit des stillen Leidens Raum gegeben.
„Heute“, so Christine Rosin in ihren Eingangsworten, „suchen wir die Worte, suchen das Gebet, die Musik, das stille Gedenken, das Zusammensein und in allem die Kraft für den Frieden.“ Dass das Erinnern an die letzten Kriegstage gerade hier in Gandenitz und Warthe so viel Trauer und Sprachlosigkeit auslöst, ist direkt mit dem Geschehen in den Dörfern verknüpft.
Wie will man heute erklären und verstehen, was der berüchtigte Befehl zur Verteidigung Berlins vom 9. März: „Kampf bis zur letzten Patrone, bis zum letzten Mann“ bei den Menschen im April 1945 auslöste?
„Mit dem Wissen aus dem Heute läuft man Gefahr eine Draufsicht zu machen, die dann nur Schwarz und Weiß ist“, sagt in einem ähnlichen Zusammenhang Kathrin Jahrreis: „Die einen sind die Täter und die anderen die Opfer. Aber das geht an der Lebenswirklichkeit vorbei.“ Ihr Dokumentarfilm „Der dritte Bruder“ ist gerade in den Kinos angelaufen. Auf ihrer filmischen Reise wird spürbar, wie die Entscheidungen des dritten Bruders die Familie über Generationen geprägt haben und wie Verdrängung und Sprachlosigkeit weitergegeben wurden. Als eine Art Tiefenbohrung in eine deutsch-jüdische Familiengeschichte von der Nazizeit, über das geteilte Nachkriegsdeutschland bis ins Heute stellt der Film die sehr gegenwärtige Frage nach der eigenen Haltung gegenüber einem totalitären Regime. Mehr dazu weiter unten.
In Warthe, der zweite Ort des Gedenkens am Sonntag, hatten fanatische Truppen der Nazis Gesandte der Sowjettruppen umgebracht, die über die Übergabe des Dorfes verhandeln wollten. Was heute einem nüchternen Fakt in der Geschichtsschreibung gleicht, ist das, was am Ende einer 12jährigen Naziherrschaft steht. Kinder, die 1933 in der Grundschule lernten, standen jetzt an Geschützen und kannten nichts anderes außer Feind und Krieg. Und diejenigen die 1945 Kinder waren, tragen die Erinnerung der letzten Kriegstage im Schweigen der Jahre zum Teil bis heute mit sich.
„In diesen Tagen mit der großen Not fehlte vielen die Zuversicht“, so Pfarrer Annegret Kaufmann in ihrer Predigt. „Verdunkelt war ihr Blick. Es fehlte die Hoffnung, dass noch einmal Gutes kommen könnte für sie und für ihre Lieben. In ihrer dunklen Nacht der Seele blieb nichts als die Frage: Gott warum hast du uns vergessen? Wo ist Hilfe?
Vor manchen Grauenvollen standen sie ohne Worte. Wie soll man Unaussprechliches auch in Worte fassen. Für manche, die weitergingen wurde das Schweigen ein schützender Mantel. Mit ihm um die Schulter konnten sie weitergehen. Der Schweigemandel wurde ihnen Hilfe zum Überleben. Schweigen hat seine Zeit.“
In den ersten Wochen nach dem Krieg waren die Kirchen so voll wie davor und danach nicht wieder. Menschen rückten eng zusammen in den Kirchenbänken. Gemeinsam sprachen sie vertraute Gebete sangen Lieder, hörten Worte aus der Bibel.
Und so war es der Wunsch der Dörfer, in diesem Jahr des Gedenkens an die Tage im April vor 80 Jahren gemeinsam im Gebet, bei Psalmen und Liedern Schutz und Trost in ihrer Kirche zu finden. Ein Ort, der Frieden finden lässt. Es braucht seine Zeit, noch immer.